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			Geschichte. Emmerich, die letzte deutsche Stadt am Rhein. Im 
			Jahre 697 gründete hier der Friesenapostel Willibrord eine Kirche, 
			die bereits 700 geweiht werden konnte, die jetzige St. 
			Aldegundiskirche. Bereits im 11. Jh. erhielt der Ort eine zweite 
			Kirche, die dem hl. Martin geweiht wurde, mit ihr verbunden ein 
			Kollegiatstift, von dessen Propst es hieß: ‚‚Er ist von großem 
			Ansehen, da er mit dem Kapitel der oberste und rechte Herr des Ortes 
			ist: Dabei ist er auch Archidiakon des Erzstifts Utrecht." 1233 
			stellte er den Ort unter den Schutz des Grafen Otto II. von Geldern 
			und Zütphen (1229-1271), durch den im nämlichen Jahre Emmerich zur 
			Stadt erhoben wurde. Ende des 14. Jh. war Emmerich schon Hansastadt. 
			Die Zugehörigkeit zur Grafschaft Kleve seit 1355 trug zum Aufblühen 
			der Stadt besonders bei. Ihre Stiftsschule, an der Männer wie Hegius, 
			Uranius und Bredenbach wirkten, verbreitete Emmerichs Namen durch 
			ganz Europa. 1609 kam der Ort mit den klevischen Landen an 
			Brandenburg, 1806 an das Großherzogtum Berg (Joachim Murat), 1811 
			nach dessen Auflösung an Frankreich, 1813 an Preußen. 
			
			
			Aldegundiskirche. Gleich gewaltigen Eckpfeilern erheben sich an 
			den beiden Enden der stolzen Rheinfront der Stadt die St. 
			Aldegundis- und die Martinikirche, jene am östlichen, diese am 
			westlichen Ende (Bild 1). — Die St, Aldegundiskirche, an der Stätte 
			der ersten Gründung Willibrords gelegen, stammt in ihrer jetzigen 
			Gestalt aus dem Jahre 1483, ein dreischiffiger Backsteinbau von 64 m 
			Länge und 25,6 m Breite, der überragt wird von einem imposanten, 
			weit in die blühende Landschaft blickenden, aus Tuff aufgeführten 
			Turm von 91 m Höhe. In drei Stockwerken baut er sich auf, die beiden 
			unteren auf quadratischer, das oberste auf sechseckiger Grundlage; 
			beide Teile sind getrennt durch eine durchbrochene Galerie von 
			feiner Wirkung. Der Turm ist der „Stolz der Stadt“, und sein 
			Glockenspiel ertönt stündlich über dem malerischen Gewirr der 
			Häuser. 1854 wurde der in früheren Zeiten durch Feuer und Sturm 
			schwer beschädigte Bau wieder instandgesetzt. Das Innere der Kirche 
			zeigt reiche Stern- und Netzgewölbe (Bild 2). Das Mittelschiff ist 
			um ein Drittel höher als das Seitenschiff. Das um 3 Stufen erhöhte 
			Chor öffnet sich nach den Seitenchören durch zwei Spitzbogen. Die 
			Kirche hat im Laufe der Jahrhunderte wegen der Überschwemmungen 
			starke Anschüttungen erfahren, was das Verhältnis zwischen Länge und 
			Höhe nicht unwesentlich beeinträchtigt hat. 
			
			  
			
			
			Ausstattung. Das Chorgestühl mit seinen sieben Sitzen vom Ende 
			des 15. Jh. ist nur teilweise erhalten. In der Kirche verteilt eine 
			stattliche Zahl vorzüglicher Werke der niederrheinischen 
			Holzschnitzkunst, namentlich des 15. und 16. Jh. In den Chorwänden 
			die überaus feinen Figuren der hl. Agnes und der hl. Katharina (Bild 
			3), an den Pfeilern des Mittelschiffs: Christus mit der Erdkugel, 
			Johannes und Jakobus, St. Katharina mit Krone und Buch, Antonius der 
			Einsiedler. Im nördlichen Seitenschiff der hl. Christophorus und der 
			hl. Albertus Magnus, über dem Weihwasserbecken am Seiteneingang die 
			vornehm wirkende Figur der hl. Aldegundis, vom ehemaligen Hochaltar, 
			modern bemalt. — Im Mittelschiff der große Muttergotteskronleuchter, 
			um 1500, und in der Sakristei eine wertvolle Kreuzigungsgruppe, Ende 
			des 15.Jh. Unter der Orgelbühne eine Holzgruppe der hl. Anna mit 
			Maria. — Im südlichen Seitenschiff St. Johann von Nepomuk (Barock) 
			und St. Sebastian, um 1500. —Dort auch der sog. „Kriegeraltar“ zur 
			Erinnerung an die Gefallenen des Weltkrieges, nach einem Entwurfe 
			des Architekten G. Schütt in Emmerich; er birgt in seinem gotischen 
			Aufbau zwei treffliche Holzskulpturen des 16. Jh., einen ruhenden 
			Christus unter dem Altartische und eine Pieta in der Mittelnische. — 
			In der Kirche zerstreut mehrere Gemälde des 17.Jh. In der Turmhalle 
			eine Kopie der Kreuzabnahme von Rubens und eine Anbetung der Hirten 
			(angeblich von Bloemart, 1564—1657), über dem Taufbecken die 
			Himmelfahrt Mariä, im linken Seitenchörchen eine treffliche Kopie 
			der Roger van der Weydenschen Anbetung der Heiligen Drei Könige. — 
			Die Wandgemälde in den beiden Seitenchören, das Leben der Heiligen 
			Familie und die Überreichung des Rosenkranzes durch die Muttergottes 
			an den hl. Dominikus, Ende des 19. Jh. stammen von F. 
			Stummel-Kevelaer, ebenso die Glasmalerei im Chor; die des rechten 
			Seitenchors von B. Terhorst-Emmerich; die in den Seitenschiffen von 
			Linnemann-Franktfurt a.M., Anfang des 20.Jh., ebenso das große 
			Fenster über dem Haupteingange, mit den Patronen der Kirchenmusik, 
			der hl. Cäcilia und Papst Gregor I. Unter den Fenstlern 
			interessanter Wandbelag aus Ton, treffliche Arbeiten eines 
			ländlichen Meisters aus Anholt i. W., Ende des 19. Jh. — Von den 
			drei großen Glocken sind vor allem die beiden, 1498 von dem 
			berühmten Gerhard de Wou gegossenen, zu erwähnen. An der Außenseite 
			der Kirche sind zahlreiche alte und für die Familienkunde wichtige 
			Grabsteine eingemauert. Die Sakristei birgt u. a. eine prächlige, 
			82,5 cm hohe Monstranz aus vergoldetem Silber, die zu den 
			hervorragendsten Werken der niederrheinischen Goldschmiedekunst um 
			1500 gehört, und ein äußerst prunkvolles Ziborium, ebenfalls aus 
			vergoldetem Silber, 54 cm hoch, um 1600. 
			
			  
			
			Die 
			Martinikirche, auch Münsterkirche genannt, dicht am Rhein, am 
			Westende der Stadt gelegen, ist in ihrer baulichen Gruppierung ein 
			überaus reizvolles Architekturbild (Bild 4). Der 65,5 m hohe Turm 
			mit 5 Glocken (2 von 1469, eine von 1508, drei von 1930) ist echt 
			niederrheinisch, massig, fest und selbstbewußt. Die erste Erwähnung 
			der Kirche geschieht im Jahre 1145. Von der ursprünglich romanischen 
			Anlage sind aber nur noch das Chor und die darunterliegende Krypta 
			erhalten. Die Baugeschichte der Kirche ist zugleich eine Geschichte 
			ihres Kampfes gegen die zerstörenden Fluten des Rheinstromes. Nach 
			einer alten Überlieferung sollen 1237 der südliche Arm des 
			Querschiffes sowie die beiden Westtürme vom Rheine weggerissen 
			worden sein. Von da an sind Sicherungsarbeiten ständig zu 
			verzeichnen. Im 15. Jh. wurde der jetzige Turm mit seiner 
			architektonisch sehr malerisch wirkenden Galerie dem nördlichen Arme 
			des Querschiffes vorgebaut, eine Maßnahme, die ungewöhnlich 
			erscheint, aber der ganzen Baugruppe einen besonderen Reiz verleiht. 
			Auf fünf Stufen gelangt man zu dem mit einem flachen Tonnengewölbe 
			versehenen Chor, an dessen Außenseite sich noch die alten 
			romanischen Fenster zeigen. Links und rechts vom Chore befinden sich 
			Seitenkapellen, mit denen der Fußboden der Kirche ehedem in gleicher 
			Höhe gelegen haben soll. Durch die rechte Seitenkapelle erreicht man 
			die dreischiffige, baugeschichtlich interessante Krypta, deren 
			Gewölbe auf drei Paaren von Bündelpfeilern ruhen. 
			
			  
			
			
			Ausstattung. Der barocke Hochaltar mit einer Martinusstatue und 
			dem kreuztragenden Christus, um 1700, ist ein tüchtiges Werk eines 
			Meisters van Munster aus Uedem. Der interessante Flurbelag des 12. 
			Jh. vor dem Altar ist teilweise erneuert worden. Die an der rechten 
			Seite des Choraufganges stehende Kanzel stammt vom Ende des 16. Jh. 
			— Eine ganz besondere Beachtung verdienen die Schnitzereien des 
			Chorgestühls vom Jahre 1486, die man dem Meister des Chorgestühls in 
			der Abteikirche zu Kappenberg in Westfalen. zugeschrieben hat. „Sie 
			sind die reichsten und ausgedehntesten dieser Gattung am 
			Niederrhein“ (Paul Clemen), eine Stiftung des berühmten Emmericher 
			Propstes Grafen Moritz von Spiegelberg, dessen Wappen, ein 
			springender Hirsch, mit vielen anderen seiner Familie als Krönung 
			der Rückenwände über den Sitzen angebracht ist. Bemerkenswert sind 
			vor allem die meisterhaft ausgeführten zahlreichen Tierfiguren an 
			den Seitenwangen und den Miserikordien, Anspielungen auf allerlei 
			menschliche Schwächen. — Gegenüber dem Haupteingang in der Turmhalle 
			die überlebensgroße Holzfigur des .hl. Christophorus in neuerer 
			Bemalung, Ende des 15. Jh. In der nördlichen Seitenkapelle eine 
			Pieta, ebenfalls in neuerer Bemalung, etwas steif in der Haltung, 
			Ende des 15. Jh. Reizvoll ist die am linken Choreingang auf einer 
			Konsole stehende Muttergottes auf Halbmond, ein fein empfundenes 
			Werk um 1450, allerdings neu überarbeitet. Vom Chorbogen 
			herabhängend ein großes Triumphkreuz, dessen Christuskörper dem 
			Anfang des 16. Jh. angehört, eine hervorragende Arbeit eines 
			niederrheinischen Meisters. Zu erwähnen sind noch die über dem 
			rechten Eingang zur Krypta befindliche Holzgruppe um 1500, der hl. 
			Franziskus vor dem Kreuze kniend, und endlich an einer Säule die 
			kleine Figur des hl. Willibrordus, Ende des 16. Jh. — Der 
			Taufbrunnen aus Gelbguß ist eine treffliche niederländische Arbeit 
			um 1550. Die den Deckel krönenden Figuren scheinen älterer Herkunft 
			zu sein. Technisch und kunstgewerblich wertvoll ist der dazugehörige 
			schmiedeeiserne Kran, der ebenfalls dem 16. Jh. angehört. Dem 12. 
			Jh. entstammt der über 1 m hohe bronzene Leuchter im Chore, 
			ausgezeichnet durch seine einfachen edlen Formen. — Bemerkenswert 
			sind ferner mehrere kleinere Gedenktafeln: in der Turmhalle für den 
			Kanonikus Wessel Huninek und dessen Vater vom Jahre 1519 mit einer 
			reliefartigen Darstellung der Verklärung Christi, stark verstümmelt; 
			daneben eine Tafel für die 1585 verstorbene Agnes de Groot; 
			geschichtlich merkwürdig ist das am linken Chorpfeiler befindliche, 
			leider auch stark verstümmelte Epitaph des am 24. Juli 1433 in 
			Emmerich verstorbenen Herzogs Gert von Schleswig. — Die Sakristei 
			birgt einen teilweise mit Goldblech bekleideten holzgeschnitzten 
			Kruzifixus des 11. Jh.. „eine der frühesten erhaltenen großen 
			plastischen Darstellungen' (Paul Clemen). 
			
			  
			
			
			Malerei. Die Kirche besitzt mehrere durch ihr Alter 
			außerordentlich wertvolle Wandgemälde. Zunächst in der südlichen 
			Seitenkapelle eine Darstellung „Christus in der Vorhölle“; das 
			ehedem stark verwitterte, aus der romanischen Epoche stammende 
			Gemälde wurde 1933 unter Aufsicht der Staatlichen Denkmalpflege 
			erneut. Im Chor an der Nordseite eine nur noch teilweise erhaltene 
			Kreuzigungsgruppe, an der Südseite der hl. Martinus hoch zu Roß, 
			beide aus dem 14. Jh. — In der Sakristei ein Ölbildnis des berühmten 
			Stiftsdechanten Bernhard Louwermann vom Ende des 16. Jh. 
			
			
			Kirchenschatz. Vor allem verdient die sogenannte „Willibrordiarche" 
			als das früheste und interessanteste Goldschmiedewerk des 
			Niederrheins aus dem 8. oder 9. Jh. unsere Beachtung. Der Kern 
			besteht aus Holz, in dessen Höhlung die Reliquien aufbewahrt werden, 
			und ist mit Goldblech überzogen. Ergänzungen und Änderungen fanden 
			1400 und 1520 statt. Eine Zeitlang wurde die Arche als Monstranz 
			benutzt; auf ihr beschworen im Mittelalter die Herzöge von Kleve die 
			alten Rechte der Stadt. Ferner sind zu beachten: ein Turmreliquiar 
			vom Jahre 1500, der sog. Willibrorduskelch, 13.Jh., ein 
			silbervergoldeter Kalvarienberg aus dem 15. Jh., eine reizende 
			silberne Madonnenstatuette mit dem Wappen des Propstes Grafen von 
			Spiegelberg und ein silbernes Armreliquiar des 16.Jh. 
			
			Die 
			evangelische Kirche auf dem schönen Geistmarkt ist ein 
			Backsteinbau auf quadratischer Grundlage, erbaut von 1690 bis 1715 
			nach Plänen der Amsterdamer Architekten Arnold van der Leen und Jan 
			van Ditmaar nach dem Vorbild der Oosterkerk in Amsterdam. 1907 
			brannte sie nieder, wurde aber schon 1908 in der alten Form wieder 
			aufgebaut. Schön geschnitzte Kanzel und bedeutendes Orgelwerk aus 
			neuerer Zeit. 
			
			  
			
			Alte 
			Bürgerbauten. Erhalten sind noch einige bemerkenswerte alte 
			Bürgerbauten. Sie geben noch heute der Altstadt das 
			charakteristische niederrheinische Gepräge, vor allem die sog. „Baronie'", 
			eine Baugruppe des 16. und 17.Jh. (Bild 6); dann der „Hof von 
			Holland" am Alten Markt mit hohem abgetrepptem Giebel (1650). In der 
			Nähe, Kirchstraße 16, ein Backsteinbau des 16. Jh.: der Giebel mit 
			übereck gestellten Säulchen. In der Steinstraße besonders die Häuser 
			Nr. 12, 21, 22 und 46; auf dem Geistmarkt Nr.27 (Bild 5) ein 
			reizender Rokokobau aus dem Jahre 1750 mit prächtiger Diele; in der 
			Nähe ein allerliebstes Renaissancetörchen aus dem Jahre 1646, und in 
			der Burgstraße Nr. 15 das Haus der uralten „Willikesort-Stiftung“, 
			in seiner Anlage ganz an die alten flandrischen Beginenhäuser 
			erinnernd. In mehreren Häusern des 17. Jh. sind noch teilweise gut 
			erhaltene Stuckdecken vorhanden, so Alter Markt Nr. 16, Kirchstraße 
			Nr. 16, Hinter dem Engel 14 (evangelischer Gemeindesaal; die Decke 
			wurde aus der reformierten ehemaligen Lateinschule hierhin 
			übertragen), endlich Geistmarkt Nr. 32. Hier auch zu erwähnen die 
			überlebensgroße Holzfigur des hl. Christophorus in einer Nische des 
			Christopheltores (Ende des 15. Jh.). Das Städt. Heimatmuseum, birgt 
			eine wohlgeordnete Sammlung von Gegenständen zur Geschichte der 
			Stadt und ihrer Umgebung. Vor- und frühgeschichtliche Funde, 
			niederrheinische Holzplastik, Keramik, Möbel, Gildenstücke, Waffen, 
			Münzen und Siegel, Stadtansichten, Bauernkunst, Schiffs- und 
			Bauernhausmodelle. (Täglich geöffnet von 10 bis 18 Uhr.)  
			
			  
			
			
			Literatur: 
			
				- 
				
				A. Dederich, 
				Annalen der Stadt Emmerich, Emmerich 1867.  
				- 
				
				P. Clemen, 
				Kunstdenkmäler des Kreises Rees, Düsseldorf 1892.  
				- 
				
				F. Goebel, 
				Das Heimatmuseum in Emmerich. Bd. 2 der „Niederrhein. 
				Kunstführer“ von H. Reiners. M.Gladbach 1927.  
			 
			
			F. 
			GOEBEL. Emmerich 1936. 
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