
1. Neuwerk.
Gesamtansicht des Kosters und der Kirche im Jahre 1895
Neuwerk liegt versteckt hinter Büschen und
Bäumen westlich von der Straße von M.Gladbach nach Krefeld in der
feuchten Wiesenniederung des Niederrheins (Bild 1). Der Name der
Siedlung, die aus einem Bauernhof der Abtei hervorgegangen ist, war
ursprünglich Kranendonk. Er ist offenbar auf die Kraniche
zurückzuführen, die in dem sumpfigen Gelände zu nisten pflegten. Ein
alter fränkischer Bauernhof zeugt von uraltem bäuerlichem Leben. Am
Ende des 11. Jh. soll das Kloster der Benediktinerinnen bei der
Abtei M.Gladbach, dessen Gebäude an der Südseite des Münsters
anschlossen, nach Kranendonk verlegt worden sein. Es erhielt den
Namen "Novum Opus" oder Neuwerk. Durch eine Urkunde des Kölner
Erzbischofs Bruno II. wurde im Jahre 1135 eine Stiftung des Abtes
Walter bestätigt, nach der er für das Kloster ein Oratorium zu Ehren
der Jungfrau Maria bauen ließ. Es ist ein quadratischer Zentralbau,
eine ähnliche Anlage, wie sie im konstantinischen Kern des Domes zu
Trier vorliegt und im römischen Matronenheiligtum zu Pesch
vorgebildet ist. Diese Raumform hat in mehreren Abwandlungen
besonders als Palast- und Taufkapelle Eingang gefunden in die frühe
deutsche Baukunst (vgl. St.-Gotthards-Kapelle, Mainz). Das
Oratorium, das Graf Metternich m bestehenden Westbau wiedererkannt
hat, wurde im gleichen Jahrhundert zu einer flachgedeckten
Pfeilerbasilika ausgebaut, und zwar so, daß der ursprüngliche Bau
als Westwerk mit Nonnenempore eingegliedert wurde. Endlich wurde am
Ende des 12. Jh. der Chor ausgebaut, dessen Fenster man bei den
Instandsetzungen übermäßig stark vergrößert hat. Im 13. Jh. wurde im
südlichen Seitenschiff mit der Wölbung begonnen, nachdem der Chor
schon Ende des 12.Jh. mit grätigen Kreuzgewölben ausgestattet worden
war.

2. Neuwerk,
Längsschnitt des ursprünglichen Oratoriums.
Es läßt sich
nicht mit Sicherheit ermitteln, ob die Gewölbe des Langhauses und
Westwerks im 15. Jh. geschaffen wurden, oder ob sie dem Wiederaufbau
der Kirche nach den Zerstörungen im Truchsessischen Krieg im 16. Jh.
ihre Entstehung verdanken. Damals erhielt der Chor, der besonders
weitgehend zerstört worden war, ein spätgotisches Sterngewölbe.
Offenbar bei der Einwölbung, die die beiden Baukörper zu einer
Einheit verschmelzen sollte, wurden die Säulen der Empore mit
Rücksicht auf die größere Breite des Langhauses versetzt, so daß im
Obergaden ein durchgehendes Mittelschiff entstand. Das Erdgeschoß
des Westwerks diente nach Feststellungen von Hans Nießen im
Pfarrarchiv als Kapitelsaal und war durch eine Mauer vom
Kirchenschiff getrennt. 1827 wurde diese Mauer abgebrochen. Nachdem
die Empore an der Stelle, wo damals die Säulen standen - sie ruhten
nach der Versetzung des 15. Jh. auf den Bögen des Erdgeschosses - ,
durch Pfeiler abgestützt worden war, wurden die Bogen im Erdgeschoß
entfernt. Das südliche Seitenschiff wurde im 19, Jh. neu aufgebaut.
Im Norden schließen unmittelbar an die Kirche die einst um einen
Kreuzgang angeordneten ehemaligen Klostergebäude an. Der Hof ist
durch einen Torweg neben dem Westwerk der Kirche zugänglich.
Außenbau. Die basilikale Anlage, die im
18. Jh. zusammen mit den Klostergebäuden mit einem Mansardendach
versehen worden war und im 19. Jh. wiederherzustellen versucht
wurde, tritt nur im Süden deutlich in Erscheinung. Sie war in den
einfachsten Formen durchgeführt. Von den beiden geplanten Türmen des
Westwerks ist nur der südliche ausgeführt worden, von dem nur die
beiden unteren Geschosse alt sind. Am Westwerk sieht man ein
romanisches Rundbogenportal des Oratoriums. Der Obergaden ist durch
Bogenfries und Lisenen gegliedert und hat rundbogige Lichtöffnungen.
Das doppelte Rundbogenfenster am Chor und die Dreipaßfenster des
Seitenschiffes, die nicht in der Achse liegen, stammen aus dem 19.
Jh.
Innenbau. Der Raumeindruck wurde einst
wesentlich bestimmt durch die Nonnenempore im Westwerk, das mit
seinen klar geprägten Formen in wirksamem Gegensatz steht zu dem
weiten Mittelschiff mit seinen ragenden Pfeilern, dessen
ursprüngliche Rundbogenfenster über den Gewölben im Dachstuhl noch
erkennbar sind. Durch drei wuchtige Rundbogen steht das Mittelschiff
mit den Seitenschiffen in Verbindung, deren nördliches heute durch
Einbeziehung eines Teiles vom Kreuzgang zu einer Raumfolge erweitert
ist mit mannigfaltigen malerischen Durchblicken im Erdgeschoß und im
oberen Stockwerk. Hier öffnen gotische Fenster den Blick auf die
Nonnenempore. Die vorgeblendete spätromanische Gliederung im Chor
ist eine Ergänzung des 19. Jh.

3. Neuwerk,
Blick auf die Kirche von Westen.

4. Neuwerk,
Grundriß der Kirche
Ausstattung. Eine heilige Barbara (um
1400) mit langen Zöpfen ist das älteste Werk der Holzplastik in der
Kirche. Aus der gleichen Zeit stammt eine sitzende Maria auf der
Empore. Im Chor befindet sich die Holzstatue einer Maria mit dem
Kinde auf einer Konsole (Ende 15. Jh.). Im nördlichen Seitenschiff
steht ein Teil des alten Chorgestühls vom Ende des 15. Jh. Eine
Kreuzigungsgruppe aus Stein (16. Jh.), die draußen am Ostende des
südlichen Seitenschiffs aufgestellt wurde, ist durch die Bemalung
stark entstellt worden. Im Pfarrhaus sieht man ein bedeutsames
Gemälde der Geburt Christi (15. Jh.) (Bild 6). Zwei Gemälde aus dem
17. Jh., die Balderich und Hitta, die Gründer der ersten Kirche auf
dem Abteihügel zu Gladbach, darstellen, sowie eine Holzstatue des
hl. Kornelius, offenbar von einem Barockaltar des 18. Jh., befinden
sich in der Sakristei. Vom Kirchenschatz sind ein silbernes
Weihrauchgefäß aus dem 15. Jh. und zwei Kelche aus dem 16, und 17.
Jh. erhalten.
Klostergebäude. Der an der Ostseite aus
Tuff bestehende, mit einem Satteldach eingedeckte östliche Flügel
der Klostergebäude schließt im rechten Winkel an den Chor an und ist
im Obergeschoß durch große Bogenblenden gegliedert. Der Westflügel,
der mit dem Westwerk der Kirche durch einen schmalen Torbau mit
einer breiten Durchfahrt verbunden ist, hat ein Mansardendach und
ist ähnlich wie der Ostflügel gegliedert. Auf der Hofseite besteht
das Mauerwerk aus Backstein. Die Schildbogen des Kreuzgangs, der bis
auf den in die Kirche einbezogenen Flügel nicht mehr erhalten ist,
bestehen aus Tuff.
Schrifttum:
P.Clemen, Die Kunstdenkmäler der Städte und Kreise Gladbach und
Krefeld. ‚ Düsseldorf 1896, S. 71 ff.
Graf Wolff Metternich, Jahrb. d. Rheinischen Denkmalpflege, - 1930,
S. 127 ff.
Dr. Mertens u. a.: Gladbach! Rheydt, 1932, S. 44 ff. “

5. Neuwerk,
Pfarrkirche, Innenansicht, Blick auf die Empore im Westen.

6. Neuwerk,
Tafel eines Altargemäldes mit Geburt Christi.

7. Rheindalen,
Belagerung von Dalen 1585 nach einem Stich von Hogenberg
(Ausschnitt).
Rheindahlen,
mitten im Bruchland der niederrheinischen Ebene, gehört zu jenen
Dörfern, die Markgraf Wilhelm V. von Jülich befestigen ließ, und das
er 1354 als erstes Gemeinwesen dieses Gebietes mit städtischen
Freiheiten ausstattete. Von den bedeutsamen fränkischen Hofanlagen
gibt der Merreter Hof eine Vorstellung. Rheindahlen ist durch die
Schlacht Albas gegen den Prinzen von Oranien im 16.Jh.
bekanntgeworden, die Hogenberg uns in einem Stich überliefert hat
(Bild 7). Im Dreißigjährigen Krieg hat es sehr gelitten und wurde im
Jahre 1647 von einem vernichtenden Brand verheert. Von den
Stadtbefestigungen sind außer den darauf bezogenen Straßennamen kaum
Reste erhalten. Daß die Stadt auch im 18. Jh. blühte, zeigen einige
beachtenswerte Barockbauten (Am Wickrather Tor 1 und 19, dat. 1730,
Tür 1780, Am Mühlentor 3, dat. 1783, Am Mühlentor 12).

8.
Rheindahlen, Blick auf den Turm der alten Kirche.
Pfarrkirche. Die der hl. Helena, der Mutter Konstantins,
geweihte Kirche ist wahrscheinlich viel älter, als sich durch die
tatsächlichen Spuren nachweisen läßt. Nach der Überlieferung des
Gelenius im 17. Jh. wurde in einer Grabinschrift der hl. Plektrudis,
der Gemahlin des merowingischen Hausmeiers Pipin, unter anderen
Orten, mit denen S. Maria im Kapitol zu Köln, die im Jahre 714 von
Plektrudis gegründete Kirche, beschenkt wurde, auch Dahlen genannt.
Da der hl. Suitbert damals von Kaiserswerth aus das Christentum.in
dieser Gegend verbreitete, so ist vermutlich zu jener Zeit die erste
Kirche gegründet worden. . Im 12. Jh, wurde ein Neubau aus Tuff
errichtet, eine einschiffige romanische Kirche (22,70 x 7,70 m),
deren Gestalt auf dem Siegel der Schöffen von Dahlen erhalten ist
(Bild 9). Diese Kirche wurde offenbar wegen Baufälligkeit bis auf
den Turm abgebrochen und im 15.Jh. von dem nach Osten
herausgerückten Chor aus ein größerer Neubau (34,70 x 17,70 m) in
spätgotischen Formen begonnen (Bild 10). Nach einer früher an der
Nordseite des Chors, heute im Pfarrhaus befindlichen, nicht mehr
lesbaren Bauinschrift vom Jahre 1483 ist das nördliche Seitenschiff,
das in der Breite der Taufkapelle neben dem Turm angelegt wurde,
offenbar damals vollendet worden. Am alten Turm sieht man über dem
Hauptportal eine Bauinschrift, die einst an
der Südseite ihren Platz gehabt haben soll. Sie be-. richtet, daß
der Bau dort 1510 begonnen wurde. Er erhielt dort durch die Anlage
einer Nonnenempore für das im Jahre 1483 gegründete
Franziskanerinnenkloster eine besondere Gestalt (Bild 10). Bei dem
Brand der Stadt 1647 hat die Kirche schweren Schaden gelitten. Das
ganze Jahrhundert ist mit Wiederherstellungsarbeiten ausgefüllt, die
um die Mitte des 18. Jh, wiederaufgenommen werden mußten. Im Jahre
1910
ist die alte Kirche in einen Klinkerneubau aufgegangen.

9. Siegel der
Schöffen von Dalen mit romanischer Kirche.
Außenbau.
In westöstlicher Richtung ist die alte Kirche dem Neubau des 20. Jh.
vorgelagert, der sich in der Nord-Süd-Achse erstreckt (Bild 8). Es
war ein dreischiffiger spätgotischer Bau mit einem romanischen Turm
aus Tuff. Der in den unteren Geschossen schmucklose Turm ist in den
oberen mit Rundbogenfriesen und Lisenen gegliedert und hat
rundbogige Fensteröffnungen. Das Portal ist bei den
Wiederherstellungsarbeiten des
17. und 18. Jh entstanden. Es trägt das Datum 1723. An den
Seitenschiffen wechseln neben dem Turm Schichten aus Tuff mit
solchen aus Ziegeln. Das nördliche Seitenschiff reicht mit seinem
Pultdach beinahe bis an die Traufkante des Satteldaches des
Mittelschiffes heran. Das südliche Seitenschiff, in dem die
Nonnenempore lag, ragte mit zwei hohen Giebeln fast bis zum First
des Mittelschiffdaches. Die Südseite war einst durch eine Brücke mit
dem Nonnenkloster verbunden. Die Wände der Seitenschiffe und der
Chor sind mit Strebepfeilern gegliedert, die an der Westseite zur
Sicherung der Kanten übereck gestellt sind.

10.
Rheindahlen, frühere Ansicht der ehemaligen Pfarrkirche von Süden
mit den Giebelbauten über der Nonnenempore
Innenbau.
Während man im Außenbau immerhin eine Vorstellung von dem
ursprünglichen Baukörper gewinnen kann, ist der ursprüngliche
Raumeindruck im Innern wesentlich beeinträchtigt (Bild 11). Die
Gebilde der Spätgotik und des Barock finden sich nicht, auch nicht
mit Unterstützung der neben dem Chor aufgestellten schlichten
Barockaltäre, zu einer Einheit zusammen, nachdem der monströse neue
Klinkerbau die alte Kirche durchdrungen hat. Ein spätgotisches
Gewölbe mit Nasenverzierung an den Rippen in der Kapelle nördlich
vom Turm, die Spitzbogenarkaden mit Achteckpfeilern vor dem
ehemaligen Seitenschiff, das mit Diensten gegliedert ist, geben
immerhin Zeugnis von dem ursprünglichen Bestand.

11.
Rheindahlen, Innenansicht in der alten Kirche
Ausstattung. Der Kronleuchter aus Gelbguß, offenbar ein
niederländisches Erzeugnis des 17. Jh., der jetzt in der Kapelle
links vom Chor hängt, vermittelt eine Vorstellung von der ehemaligen
Ausstattung. Der hl. Antonius als Abt, eine Holzplastik des 15. Jh.
mit erneuerter Bemalung, an der Südecke des Chors, soll aus der
alten Kirche stammen. Eine Holzskulptur des hl. Gregor über dem
östlichen Ausgang, deren Bemalung entfernt wurde, scheint ein Werk
der rheinhessischen Kunst des 15. Jh. zu sein. Auf dem nördlichen
Seitenaltar der Barockausstattung - der südliche Seitenaltar trägt
die Jahreszahl 1728 - befindet sich eine sehr bewegte, in Holz
geschnitzte Pieta. Zu dieser Ausstattung gehören auch die jetzt im
Mittelschiff der neuen Kirche aufgestellte Kanzel und der im
Querhaus stehende Josephsaltar, der im oberen Rahmen ein altes
Gemälde mit der hl. Katharina enthält. Der hl. Matthias der
Taufkapelle dürfte kaum mit dieser Barockausstattung zusammenhängen.
Im östlichen Seitenschiff der neuen Kirche sieht man eine
Rokokoplastik der Immakulata. Ein Adlerpult aus Holz, eine
Schnitzerei des Rokoko, ist nur ‚ein Abglanz jener Gattung gotischer
Bronzewerke. Ein Gemälde des Gekreuzigten aus der Schule des van
Dyck, das im westlichen Querhaus hängt, soll aus Knechtsteden
stammen. Im Pfarrhaus hängen im Sitzungssaal zwei Bildnisse von
Pfarrern aus Rheindahlen: Pfarrer Gerhard Mertens (1737 - 1770) und
Pfarrer Ulenbroich (1781 - 1811), dessen Grabstein am nördlichen
Pfeiler vor dem Chor der alten Kirche eingemauert ist. Im
Kirchenschatz wird u.a. ein beachtenswertes silbervergoldetes
Taufgeschirr, bestehend aus einer mit Gravierarbeit gezierten
Schüssel und einer Kanne (17. Jh.), sowie eine Sonnenmonstranz mit
einer 1622 geprägten Schaumünze auf den Entsatz von Bergen op Zoom
durch Moritz von Oranien aufbewahrt. Sechs Barockleuchter aus dem
18. Jh., nach denen die Gebilde vor dem Hochaltar gefertigt wurden,
befinden sich auf dem Herz-Jesu-Altar im westlichen Seitenschiff.
Schrifttum:
Paul Clemen, Die Kunstdenkmäler der Städte und Kreise Gladbach und
Krefeld. Düsseldorf 1896, S. 82 ff.
A. Wilms, Geschichte der Pfarrkirche zu Rheindahlen: Pfarrkalender
Rheindahlen 1916, S. 33 ff., 1917, S.19 ff.
Hans Nolden u.a.: Unsere Heimat. Gladbach
1926, S. 191 ff.
Dr. Mertens u.a.: Gladbach-Rheydt, 1932, S. 43 ff.
J. HEINRICH
SCHMIDT, Düsseldorf 1937. |